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10. Juli 1998

Franz Erhard Walther-Werke aus den Jahren 1957 - 1994 in Fulda.

Am 9. Juli 1998 wurde im Fuldaer Vonderau-Museum eine Ausstellung mit Werken von Franz Erhard Walther eröffnet. „der Körper baut die Bilder. Werke 1957 bis 1994" heißt sie. Franz Erhard Walther ist der bekannteste und berühmteste zeitgenössische Künstler, der aus Fulda stammt. Er hat am Städel in Frankfurt studiert, dann an der Düsseldorfer Kunstakademie; später ging er nach New York und seit 1970 ist er Professor an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg.
 

Auf einem lebensgroßen Foto im dritten Stock sieht man den 19jährigen Franz Erhard Walther 1958 in seinem Fuldaer Atelier: Er hat einen Stierschädel und eine Wagenleuchte in der Hand; sein Fuß schwebt über einer Blechschüssel mit Wasser. „Versuch, eine Plastik zu sein", heißt das Foto. Das heißt: Er selber, der Künstler, war untrennbar Teil des Kunstwerkes. Und diese Idee, daß das Kunstwerk nicht nur das ist, was man von außen betrachtet, sondern mehr sein kann, zieht sich bis heute durch seine Arbeit.

"Das war am Anfang eine kühne Behauptung , zu sagen: 'Wir können gar nicht wissen, was ein Werk ist - das ist alles Projektion'. Das ist etwas, was ich als Künstler im Atelier erfahre, das das ja gar nicht stimmt: das ist immer eine Behauptung. Ich produziere etwas,  und wenn ich die Behauptung sage: Das ist ein Werk, gilt das. Also: Der Maler, der auf ein Bild zielt, da ist natürlich das Bild das Werk. Das ist auch unstrittig. Aber ich kann auch so denken, daß ich sage: Das ist nur eine Chiffre, Werk ist eine Idee!"

"Ich guck das eher als ein Werkzeug an, als ein Fragment", fährt Walther fort. Also kann, so meint er, nicht nur die Leinwand oder die Farbe oder Holz oder Marmor Teil des Kunstwerkes sein, sondern auch zum Beispiel die Zeit oder der Raum:

"Auf die Weise ist dann bei mir die Idee entstanden, die Handlung auch zum Werkbestandteil zu erklären. Das hat es in der Kunst ja vorher überhaupt nicht gegeben, daß die Handlung, auch eine physische Handlung, Werkbestandteil wird. Dem stand immer auch entgegen (was logisch ist): das Zeitliche. Also: Eine Kunst des Zeitlichen war die bildende Kunst nie. Das war immer die Musik, Literatur, Theater. In der Bildenden Kunst konnte Zeit immer nur auftreten entweder illustrativ, allegorisch, symbolisch, aber nie real - das war nicht möglich."

Deshalb produzierte Franz Erhard Walther zum Beispiel Anfang der sechziger Jahre seine sogenannten „Handstücke" oder „Körperstücke": Etwa zwei kleine, weiße Quader aus Nesselstoff, die man in die Hand nimmt. Oder ein „Stirnstück", eine Art langgezogenes Kissen aus dunkelrotem Samt, das man an die Wand hängt und wogegen man seine Stirn lehnt - durch die Handlung und den Umgang mit dem "Werkstück" wird der Betrachter selber Teil des Werkes. Das "Prozessuale nicht als Methode, um zu einem Werk zu kommen", sondern: dieser Prozeß wird selbst zum Thema gemacht, "das Werk steckt sozusagen im Prozessualen, auch in der Handlung", so sagt es Walther selbst.

In der Hochrhön machte Walther damals Aktionen: Zum Beispiel nahm er einen fünf Meter langen zusammengenähten Baumwollstoff, mit dem vier Personen ein Quadrat bildeten.

"Ich suche mit dem Werkstück einen bestimmten Ort auf. Und damit - wenn ich das nicht willkürlich tue - definiere ich auch schon den Ort. Das hat eine hohe Bedeutung. Ich setze in der Handlung einen Anfang. Die entwickelt sich in der Zeit - also: sie gebraucht in dem Moment auch Zeit und macht auch Zeit zu einem Material, mit und in der ich handle, und dann ist ein Ende da. Und darin entsteht jetzt sozusagen ein immaterielles, ein unstoffliches Werk. Das aber den Anspruch hat, in der Handlung genauso konkret zu sein wie ein physisches Ding".

Und von diesem Werk zeugen am Ende Fotos und die vielen Zeichnungen, die Franz Erhard Walther zu den Werken anfertigte. Seine Kunstwerke haben zwei Formen: Einmal die Handlungsform - das ist, wenn man etwa ein Handstück in die Hand nimmt und der Mensch dadurch Teil des Kunstwerks wird. Die zweite Form ist die Lagerform: Das ist die, in der wir diese Werkstücke im Museum sehen: Sorgfältig arrangiert und zusammengestellt; Stoffbahnen sind zusammengerollt und so weiter.

Die Ausstellung ist eine ganz Besondere für das Fuldaer Vonderau-Museum: es ist die größte, die seit der Einweihung des Regionalmuseums 1994 auf die Beine gestellt wurde. Sie geht über drei Stockwerke, zeigt mehr als 400 Ausstellungsstücke  und wurde in monatelanger Arbeit vorbereitet - wobei Franz Erhard Walther sie selbst gestaltete und mit Hand anlegte.

Zu sehen ist auch die weißgetünchte Leinwand, wegen der Walther 1961 von der Frankfurter Kunstakademie flog. Außerdem seine großen Stofformationen, die an derWand hängen, und bei denen man nicht weiß, ob sie Bild oder Skulptur sind und in die man sich auch noch hineinstellen kann bzw soll, wodurch man wiederum Teil des Werkes wird. Die Fuldaer Ausstellung sollte ursprünglich bis zum 23. August zu sehen sein. Sie ist aber jetzt bis einschließlich 4. September verlängert worden - damit auch Kunstlehrer sie noch mit ihren Schülern besuchen können - ansonsten wäre die Walther-Schau nur in den Schulferien zu sehen gewesen. (Vonderau Museum Fulda, Jesuitenplatz 2, D-36037 Fulda, 10. Juli bis 23. August 1998, 10 - 18 Uhr, Montag geschlossen).
  



 

Ein Franz-Erhard-Walther-Museum für Fulda?

Der 58-jährige Franz Erhard Walther wurde in diesem Jahr schon mehrfach mit großen Ausstellungen gewürdigt - in den Hamburger Deichtorhallen, im Kunstverein Hannover, und jetzt in seiner Heimatstadt Fulda. Die Eröffnungsveranstaltung am 9. Juli nahm Fuldas scheidender Oberbürgermeister Wolfgang Hamberger, CDU, zum Anlaß, sein Vorhaben, ein eigenes Museum in Fulda für Franz Erhard Walther in Fulda einzurichten, noch einmal ins Gespräch zu bringen.
 

Seine Werke hängen in New York, Tokio, Genf und vielen anderen Museen dieser Welt - seit 1970 ist er in Hamburg Professor an der Hochschule für Bildende Künste - aber: Franz Erhard Walthers Kontakt zu seiner Heimatregion ist nie abgerissen:

"Da hat mich sehr stark die Rhön geprägt. Anfang 1967 bin ich nach New York gegangen. Auch dort sind auf große Räume entstandene Arbeiten entwickelt worden.Da habe ich auch in New York in meinem Arbeitsraum immer die Hochrhön im Hinterkopf gehabt. Oder vor Augen. Das war sehr merkwürdig."
 
 In Fulda können - wie anderswo allerdings auch - viele Bürger nicht viel mit der Kunst Walthers anfangen. Zum Beispiel mit den fünf Eisenplatten ("Raumform für Fulda"), die an fünf ausgesuchten Orten in Fuldas Innenstadt liegen und jeweils einen Begriff eingraviert haben, etwa "Materialwechsel". ("...der auf der Schriftplatte stehende Mensch macht diese zum Sockel und entwickelt das WERK durch die Vorstellung einer Verbindung des eigenen Körpers mit dem Standort, dem gegebenen Begriff, dem Zeitpunkt und der Zeitdauer. Die Wegstrecke zwischen den Schriftplatten ist Teil des Werkes...")

Trotzdem aber will Oberbürgermeister Hamberger für den international bekannten Bäckersohn aus Fulda jetzt ein Museum. Die Einschätzung eines aktuellen, modernen Künstlers sei unter Zeitgenossen mitunter etwas schwieriger als bei anderen, so Hamberger, aber Walthers Bedeutung und die Bedeutung, die er mit seinem Werk für eine ganze Kunstepoche erlangt habe, sei überragend - und die Zeit dränge, denn, so der OB:

"Es gibt interessierte Städte, die nur darauf warten, daß er ein Angebot macht und sie organisieren können - ich nenne Dresden und auch Hamburg - und es ist, meine ich, an der Zeit, daß wir auch in Fulda die Hand heben und sagen: Auch wir wollen in dieser Frage uns zu Wort melden"

Hamberger präsentierte den ersten Scheck eines ungenannten Spenders über immerhin 30.000 Mark für ein Fuldaer Franz-Erhard-Walther-Museum. Da muß allerdings noch allerhand dazukommen. Mit einem solchen finanziellen Sockel will der Noch-OB (seine Amtszeit endet im August 1998) dann den Stadtverordneten es schmackhaft machen, selbst auch Mittel bereitzustellen.
Grundstock eines Museums wäre die Sammlung des Fuldaers Gisbert Seng, eimen alten Freund des Künstlers. Er besitzt vor allem wertvolle Frühwerke und hätte sie gerne in Fulda ausgestellt, aber, so Seng:

"Es gibt ja sicher noch mehr Möglichkeiten, die Arbeiten unterzubringen. Zum Beispiel: Jetzt ist Wiesbaden dabei, einen Walther-Raum einzurichten, und die werden von mir auch schon Leihgaben, also ganz wichtige Stücke davon, die möglicherweise auch dort bleiben könnten, unter Umständen. Deshalb muß man natürlich mal  sehen, wie die ganze Sache sich hier entwickelt".

In Fuldas Lokalzeitung drücken Leserbriefschreiber manchmal Unverständnis aus  man solle lieber die Werke der kürzlich verstorbenen Malerin Lioba Munz, einer Nonne des Fuldaer Benediktinnerinnen-Klosters, stärker würdigen, meinte eine Leserin. Leicht wird es also nicht unbedingt werden, ein eigenes Museum für Walther durchzusetzen, aber: Noch-OB Hamberger ist entschlossen:

"Ich habe diese Überzeugung und setze mich dafür ein und bin ganz sicher, daß das für Fulda (vielleicht sehen das heute noch nicht alle, aber in einer nahen oder weiteren Zukunft) eine großartige Sache sein wird. Und das darf sich eigentlich Fulda  nicht entgehen lassen und dafür engagiere ich mich, daß Franz Erhard Walther eben nicht nur einer ist, der aus Fulda kommt, sondern einer, der mit seinem Werk in Fulda bleibt!"
 

Der OB hat auch schon eine Idee, in welches Gebäude das Museum soll. Aber das will er noch nicht verraten. "Früher oder später muß ein Walther-Museum in Fulda kommen"; meinen Fuldaer Kunst-Insider. Aber: Wenn die osthessische Domstadt sich allzulange spröde zeigen sollte, dann könnten Wiesbaden, oder Genf, oder Hamburg schneller sein und sich die interessantesten Sammlungen unter den Nagel reißen.

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© 1998 Christoph Käppeler

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